Bühnenzauber in Soest: Im Gespräch mit dem Soester Amateurtheater von STAgE

Die Soester Theater Arbeitsgemeinschaft (STAgE e.V.) begeistert seit über drei Jahrzehnten mit ihren Aufführungen. Nadja Gosmann, die 1. Vorsitzende des Vereins, erzählt im Interview, wie sie zum Theater kam, was die Mitglieder antreibt und warum Theater ein erfüllendes Hobby für jedermann sein kann.

Als ob Champagner durch die Adern fließt

Frau Gosmann, wie sind Sie selbst zum Theater und schließlich zum Vorstand von STAgE gekommen?

Das hat sich familiär mehr und mehr entwickelt. Als wir nach Soest „zurück“ gezogen sind – mein Mann stammt ursprünglich von hier, ist aber zum Studium nach Berlin gegangen – hatte mein Mann Lust, wieder Theater zu spielen. Er hat sich dann informiert und hat unseren Regisseur Dr. Frank Schindler getroffen und gefragt, ob er mitmachen kann. Ich bin irgendwann auch mitgegangen, habe aber im ersten Jahr nur zugeschaut. Dann haben mich die anderen angesprochen: „Willst du es nicht auch einmal ausprobieren?“. Dann habe ich mir einen Ruck gegeben, und dieses Gefühl, auf der Bühne zu stehen, hat mich sofort gepackt – es ist, als ob Champagner durch die Adern fließt. Man ist ganz im Moment und kann gleichzeitig in andere Rollen schlüpfen. Das ist unbeschreiblich.

Wer kann denn alles bei STAgE mitmachen und dieses Gefühl vielleicht ebenfalls kennenlernen?

Es gibt für die Kleinen das Kindertheater, für die Schüler die verschiedenen Schülertheater-AGs, für die Älteren das Seniorentheater. Für das „Mittelfeld“ jedoch, für die, die nicht mehr in die Schule gehen und auch nicht beim Seniorentheater mitmachen möchten, gibt es STAgE. Und wir laden alle, denen die Bühnenbretter zwar vielleicht nicht die Welt, aber sonst eine ganze Menge bedeuten, zum Mitmachen ein. Vorerfahrung beim Theater ist dabei nicht notwendig.

Wie hat sich der Verein damals gegründet?

Vor 33 Jahren hat unser Regisseur hier in Soest eine Annonce geschaltet. Er hatte während seines Studiums viel Theater gespielt und wollte das dann später gerne fortführen. Auf diese Annonce meldeten sich die ersten Interessentinnen und Interessenten, man traf sich, man verstand sich – und auch der Name „STAgE“, also Soester Theater Arbeitsgemeinschaft, stand schnell fest.

 

Neben den „großen“ Stücken bietet  STAgE auch Lesungen und kleinere Aufführungen an. Was steckt dahinter?

Wir probieren uns gerne aus und versuchen, Inhalte, die uns interessieren oder wichtig sind, in ansprechender Form auf die Bühne zu bringen: Bei unseren Lesungen, lesen wir gerne heitere Sachen, zum Beispiel von Wilhelm Busch. Manchmal lesen wir dabei mit verteilten Rollen, manchmal gestalten wir es mit einem Lesenden. Unser Kabarett bezog sich eigentlich immer auf aktuelle regionale, politische Ereignisse. Daher war es dort auch wichtig, dass wir schnell zur Aufführung kommen. Bei größeren Stücken ziehen sich allein die Proben oft ein Jahr lang.

Bei den kleineren Stücken geht es aber auch schon mal schneller. Diese Breite des Angebots kommt uns gerade im Moment sehr entgegen: Wir sind in einer Art Umbruchsphase. Unser Regisseur ist nun über 80 Jahre alt, sodass sich langsam die Frage nach seiner Nachfolge stellt. Einige unserer Mitglieder probieren sich jetzt auch in der Regie aus. Um nicht gleich ein großes Projekt zum Einstand meistern zu müssen, eignen sich solche kleinen Formate auch gut zur Übung in der Regie. Daher laufen teilweise manche Proben parallel.

Einige Stücke bewegen besonders tief

Welche Spuren hinterlassen die Stücke bei Ihnen? Ist es manchmal auch so mitreißend, dass Sie im Nachhinein etwas Abstand brauchen?

Einmal haben wir ein Stück, in dem es um Folter geht, aufgeführt: „Diese ganze lange Nacht“ von Jorge Diaz. Das Stück spielt ursprünglich zur Zeit der Diktatur in Chile. Wir haben es in Zusammenarbeit mit amnesty international Soest zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember aufgeführt. Bei diesem ernsten Stoff bildete die funkelnde Weihnachtswelt um uns herum einen sehr harten Kontrast. Da brauchten wir eine Art emotionale Schleuse, um zwischen der Weihnachtswelt und der Bühnenwelt zu wechseln. Meistens haben wir nach den Proben erstmal zusammen einen Kakao oder ein Bier getrunken und sehr viel geredet.

 

Wie wird über  die Stücke entschieden?

Unser Regisseur oder unsere Mitglieder geben Impulse. Dann entscheiden wir gemeinsam, was zu uns, auch als Gruppe in der aktuellen Besetzung, passt. Meist entwickelt unser Regisseur dann Ideen, wer welche Rolle übernehmen könnte. Das letzte Wort darüber, welche Rolle wir spielen, haben wir Darstellerinnen und Darsteller natürlich selbst.

Wir haben auch schon selbstgeschriebene Stücke inszeniert, z.B. über die Soester Geschichte.

Besondere Aufführungen an besonderen Orten

Wer kann die Aufführungen besichtigen und wo finden sie statt?

Unsere Aufführungen sind öffentlich, Tickets können bequem über Hellweg-Ticket gebucht oder über dasselbe Portal in den Geschäftsstellen der Sparkasse erworben werden. Für unsere Aufführungen werben wir mit Plakaten, Handzetteln und über die Zeitung. Mittlerweile haben wir uns ein Stammpublikum von 500 Leuten erspielt. Manche von uns werden sogar regelmäßig in der Stadt angesprochen, wann die nächste Aufführung stattfindet. Wir versuchen originelle Orte zu finden, die zur Atmosphäre des Stücks passen. Beispielsweise haben wir „die zwölf Geschworenen“ oder „der zerbrochene Krug“ im Amtsgericht aufgeführt, „Soester Opfer“ zum Teil in einem Bunker, „die Hexenjagd“ in einer Kirche. Außerdem spielen wir mit sehr wenigen und dafür außergewöhnlichen Requisiten, so verwenden wir beispielsweise Europaletten oder Leitern.

Wo trifft sich denn der Verein regelmäßig zum Proben, wenn es keine feste Spielstätte gibt?

Wir haben beim Deutschen Roten Kreuz, Ortsverein Soest, einen Probenort gemietet. Das funktioniert für unsere regelmäßigen Treffen sehr gut.

Außerdem gönnen wir uns für neue Einflüsse ab und zu ein Workshopwochenende mit verschiedenen Profis von außen, die uns verschiedene Techniken vorstellen, Bewegungsübungen mit uns durchführen oder einfach weitere Neuerungen mit einbringen. Das kann dann beispielsweise in einer Jugendherberge stattfinden.

Neulinge sind jederzeit herzlich willkommen!

Wie nehmen Sie den Neuen die Angst?

Das ist tatsächlich manchmal eine Herausforderung. Gerade, weil unser Verein ja einigermaßen bekannt in der Stadt ist, scheuen einige Interessierte den Angang. Sie können sich schon vorstellen, Theater mal auszuprobieren, wollen dann aber nicht gleich vor solch ein großes Publikum. Wir versuchen Sie dann aufzufangen: Durch Gruppen- und Vertrauensübungen oder auch ganz einfach im Rahmen unserer regelmäßigen Proben.

 

Vielen Dank, Frau Gosmann. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg!

 

Bildquellen:

© STAgE Soest e.V.

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